Klinischer Hintergrund

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 150.000 (weltweit bis zu 30 Mio.) Menschen an einer Sepsis, im Volksmund auch Blutvergiftung genannt. Sepsis ist weltweit eine der häufigsten und gleichzeitig eine von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Erkrankung, mit einer jährlichen Zuwachsrate von 8 bis 13% in den Industrienationen über die letzten 10 Jahre. Die Sterblichkeit ist mit 30-50% sehr hoch. Mit 162 Todesfällen täglich (Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) steht die Sepsis nach dem Herzinfarkt an dritter Stelle der Todesursachen in Deutschland. Als Krankheitsbild zeigt sich eine komplexe, systemische Reaktion des Organismus auf eine Entzündung, die durch eine ebenfalls systemisch verlaufende Infektion durch Bakterien, Pilze, Viren, oder eine Reaktion auf deren Toxine hervorgerufen wird. Dabei beginnt dieses komplexe immunologische Syndrom mit einer inflammatorischen Abwehrreaktion des Immunsystems, welche frühzeitig mit einer antiinflammatorischen Gegenreaktion des Immunsystems beantwortet wird. Das Verhältnis von Inflammation und Antiinflammation scheint sich während des Krankheitsverlaufs ständig zu verändern und beeinflusst den Krankheitsverlauf und -ausgang massiv. Biomarker oder klinische Testverfahren, die dieses komplexe immunologische Syndrom gut charakterisieren, existieren nicht, sodass derzeit auch keine an den Immunstatus angepasste kausale Therapie erfolgen kann. Das Fehlen der Charakterisierung scheint mitverantwortlich für die immer noch hohe Letalität der Sepsis zu sein. Des Weiteren unterliegt die zeitliche Abfolge und die Stärke der inflammatorischen und antiinflammatorischen Antwort einer großen intraindividuellen Variabilität, so dass heute drei wesentliche Aspekte der septischen Reaktion unklar sind: - Welches immunologische Verhältnis von Inflammation und Antiinflammation wirkt sich wie, positiv oder negativ auf den Krankheitsverlauf der Sepsis aus? - Wie kann der behandelnde Arzt die jeweilige immunologische Situation des Patienten erfassen und bestimmen? - Wie kann an Hand der Erfassung der immunologischen Situation im Verlaufe der Sepsis eine entsprechend individuell angepasste Therapie durchgeführt werden? Bei vielen monokausalen Erkrankungen wurde gezeigt, dass sich auf Grund von Biomarkern eine zielgerichtete Therapie durchführen lässt. Am Beispiel der ebenfalls in der Bevölkerung weitverbreiteten Zuckererkrankung, dem Diabetes mellitus, wird dies plausibel. Bei einem Patienten mit Diabetes mellitus kann sowohl ein zu hoher Zuckerspiegel als auch ein zu niedriger Zuckerspiegel zu einem Koma und darüber hinaus zum Tode führen. Liegt ein Patient mit Diabetes mellitus im Koma, so wird immer zuerst einen Blutzuckertest durchführt, um in Abhängigkeit von der Blutzuckerkonzentration eine zu niedrige Blutzuckerkonzentration mit Glucose oder eine zu hohe Blutzuckerkonzentration mit dem Hormon Insulin zu behandeln. Ein nicht Beachten dieses Vorgehens könnte ansonsten zur falschen Therapie führen und die Sterblichkeit der betroffenen Patienten dramatisch erhöhen. Bei der Sepsistherapie scheint dieses Vorgehen momentan nicht möglich, da einzelne Biomarker dieses komplexe multikausale immunologische Syndrom nicht adäquat beschreiben können. Es existieren im klinischen Alltag zwar einige wenige Biomarker, die mit einer Infektion des Organismus durch Bakterien, Pilze oder Viren assoziiert sind und zur Steuerung der antiinfektiven Therapie bestimmt werden. Jedoch sind diese Marker nicht in der Lage, das komplexe Immunologische Syndrom von Inflammation und Antiinflammation darzustellen und ermöglichen somit leider keine zielgerichtete kausale Therapie. Zielführend wären hier zum einen multifaktorielle Analysen, die zu einem Muster gebündelt werden. Zum anderen müssen die gefundenen Muster mit den klinischen Untersuchungsbefunden des Arztes und den erhobenen klinischen Daten kombiniert werden, um aus den vielen Mosaiksteinen ein stimmiges Bild zu schaffen. Auf dieser Basis müssen Tools entwickelt werden, die diese Big Data Ergebnisse auswerten und im Rahmen geeigneter Produkte in die klinische Routinediagnostik der Krankenhäuser überführen. In der Anwendung können hierdurch nicht nur prognostische Aussagen zum Verlauf der Sepsis getroffen werden, sondern es kann zusätzlich personalisiert auf Basis des analysierten Immunstatus therapiert werden. Ziel der vorliegenden Projektidee ist daher, die Entwicklung eines Sepsis Bioassays und eines Decision Support Moduls, um Sepsispatienten personalisiert je nach Immunstatus zu behandeln.
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